Am Tannenberg pflanzen Förster Bäume für den Wald von morgen

2022-09-09 21:29:19 By : Ms. Crystal zhang

Der Wald muss robuster und artenreicher werden, um zu überleben. In Engelburg läuft dazu der umfangreichste Langzeitversuch der Schweiz.

Ein Sonnenstrahl dringt zwischen den Baumwipfeln auf dem Tannenberg hindurch. Moos bildet grüne Polster, es duftet betörend nach Tannenharz. Doch die Idylle trügt. Etliche Baumstämme sind mit gelben Punkten markiert. «Die müssen wir alle fällen», sagt Revierförster Walter Bicker. Auf dem Gebiet Hofierst, einem flach abfallenden Hang, wird für wissenschaftliche Zwecke eine Waldfläche von 1,2 Hektar abgeholzt, so gross wie eineinhalb Fussballfelder.

Dabei werden 1400 Kubikmeter Holz gewonnen, das entspricht rund 1000 Tonnen Holz. «Das wird für den Moment strub aussehen», sagt Bicker. «Es ist nicht üblich, solch grosse Flächen aufs Mal abzuholzen.»

Grund für den grossen Holzschlag ist ein bundesweites Forschungsprojekt der WSL (Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft) in Birmensdorf. Die WSL hat 57 Waldflächen in 20 Kantonen ausgewählt – darunter jene in Engelburg. Es ist die einzige Waldfläche in der Ostschweiz, die für den Versuch benutzt wird. Darauf werden bis zu 18 verschiedene Baumarten angepflanzt. «Darunter sind einige Baumarten, die in den Schweizer Wäldern im Klimawandel als potenziell zukunftsfähig gelten», sagt Regionalförster Raphael Lüchinger.

Zu den auserwählten Bäumen gehören etwa Weisstanne, Bergahorn, Traubeneiche oder Winterlinde. «Der Wald soll vielfältiger werden», sagt Bicker. Die Testbäume werden eingezäunt, denn das Wild liebt zarte Jungpflanzen. «Frisch gepflanzte Bäumchen sind für das Reh die Filetstückli», sagt Walter Bicker.

Unter den Testbäumen ist eine Exotin: die Douglasie aus Nordamerika. Sie ist widerstandsfähig und bringt viel Holz. Das Set besteht zudem aus Weisstanne, Bergahorn, Buche, Lärche, Fichte, Föhre, Traubeneiche, Winterlinde, Spitzahorn, Schneeballblättrigem Ahorn, Atlaszeder, Baumhase, Nussbaum, Kirschbaum, Zerreiche, Stieleiche und Elsbeere. (mem)

Die Fichte lässt es eher stehen – die schmeckt ihm nicht. 50 Jahre lang werden Wissenschaftler die Entwicklung der Bäume verfolgen. «Der Langzeitversuch soll erlauben, die Auswirkungen des Klimas auf die Bäume besser zu verstehen», sagt Lüchinger. Es ist laut der WSL der umfangreichste Waldversuch, der jemals in der Schweiz durchgeführt wurde.

Denn dem Wald geht es schlecht. Stürme und der Dürresommer 2018 fordern ihren Tribut, sogar die Buchen haben gelitten. Lüchinger will jedoch keine Endzeitstimmung verbreiten. «Es braucht in Zukunft teilweise andere Bäume, die mit Hitze und Trockenheit besser zurechtkommen.» Dass der Klimawandel die Bäume stresst, ist für den Regionalförster schon seit über zehn Jahren ein Thema. Er ist für die Waldregion 1 St.Gallen zuständig, die sich von Wil bis Rorschach erstreckt. Die Baumgrenze und die Vegetationszonen verschieben sich nach oben. «Wärmeliebende Bäume wie Winterlinde und Traubeneiche, die am Bodensee gedeihen, werden in Zukunft auch auf dem Tannenberg wachsen», ist er sich sicher.

Eigentümerin der 1,2 Hektar grossen Testfläche ist die St.Galler Ortsbürgergemeinde. Noch stehen hier rund 420 Fichten, die häufigste Baumart der Schweiz. Bicker sagt:

Die Fichte, eigentlich in höheren Lagen beheimatet, sei künstlich in unsere Wälder eingebracht worden und wirtschaftlich interessant. «Die Holzwerk Lehmann in Gossau, das grösste Sägewerk der Ostschweiz, verarbeitet beispielsweise hauptsächlich Fichtenstämme», sagt Lüchinger.

Die Förster bahnen sich den Weg durch Farn und Brombeergebüsch. «Dass sie hier wachsen, ist ein Zeichen, dass der Boden oberflächlich versauert ist», sagt Bicker. Heute setzt man auf eine Mischung von Laubbäumen und Nadelhölzern. «Der Wald muss robuster und artenreicher werden, um für den Klimawandel gewappnet zu sein.»