Die Städte und Gemeinden im Hinterland stellen sich auf die drohende Energiekrise im Winter ein – erster Schritt: Heizungen runter.
Die Kommunen im Altkreis Biedenkopf wollen ihren Beitrag leisten, mehr Energie zu sparen. Aber die Bürger sollen das möglichst wenig zu spüren bekommen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage unter den Bürgermeistern im Hinterland.
„Wir haben keinen Gasnotfallplan, weil wir kein Gas haben“, sagt der Angelburger Bürgermeister Thomas Beck (SPD). Doch die Gemeinde wolle in ihren Liegenschaften Strom und Öl sparen. Ein Heizungsexperte ermittle, wo gespart werden kann, ob Heizungseinstellungen geändert werden. Und die Heizung in den Bürgerhäusern wird seltener eingeschaltet: „Wir werden Dauernutzer darum bitten, kurz vorher die Heizung eigenverantwortlich anzustellen“, sagt Beck. Wie groß die Einsparungen sind, könne er noch nicht sagen.
Weitere Einsparungen – etwa bei der Straßenbeleuchtung – hätten aus Becks Sicht „nur geringe Effekte“. Deshalb tue er sich auch mit einem Verzicht auf Weihnachtsbeleuchtung schwer. Die gibt es für alle drei Ortsteile, nachdem die Gemeinde sie mit einem Kreiszuschuss auch für Frechenhausen gekauft hat.
Breidenbachs Bürgermeister Christoph Felkl (SPD) hofft, dass es nie zu einer Gasnotlage kommt. Betroffen wäre die Kerngemeinde. „Wenn hier kein Gas mehr sein sollte, habe ich 3 000 Menschen zu versorgen.“ Das sei mit dem sogenannten „Betreuungsplatz 50“ kaum möglich. Dabei handelt es sich um die Wiesenbacher Sporthalle. In jeder Kommune muss eine solche Einrichtung vorgehalten werden, um im Katastrophenfall kurzfristig 50 Menschen versorgen zu können. „Man könnte die Halle höchstens als vorübergehendes Wärmenest einrichten.“
Im Gebäude der Gemeindeverwaltung, wo weitere Praxen und Geschäfte angesiedelt sind, fließt nur noch kaltes Wasser aus den Waschbecken, mit Ausnahme des Zahnarztes. „Das werden wir in den anderen Einrichtungen auch so handhaben.“ Ausnahmen seien die Sportanlagen im Gunterstal und in Wiesenbach.
Felkl hält Aktionismus und Symbolik für falsch. „Bei aller Notwendigkeit glaube ich schon, dass es sinnvoll ist, alles mit Augenmaß zu tun.“ Als Beispiel nennt Felkl das Abschalten der Straßenbeleuchtung nach 22 Uhr. „Dadurch würden wir gerade mal 3 500 Euro im Jahr sparen. Das ist in meinen Augen reine Symbolik.“ Der Betrieb der Bürgerhäuser solle ebenfalls nicht eingeschränkt werden.
Die Gemeinde plant für das nächste Jahr ein Förderprogramm, um Bürger beim Kauf von Kleinsolaranlagen zu unterstützen. Dafür bekomme Breidenbach selbst Fördermittel. 10 000 Euro könne das Programm umfassen, sagte Christoph Felkl. Er will die Idee dem Parlament vorschlagen.
In Bad Endbach werden die Liegenschaften wie das Rathaus, die Dorfgemeinschaftshäuser und andere Räumlichkeiten bis maximal 19 Grad beheizt. In Durchgangsbereichen und Nebenräumen soll weitestmöglich aufs Heizen verzichtet werden. Das Viadukt, die Lahn-Dill-Bergland-Therme, aber auch der Ententeich im Kurpark werden nicht mehr beleuchtet. Auch die Straßenbeleuchtung am Parkplatz der Therme soll ausgeschaltet werden.
Zur Energieberatung hat die Gemeinde Bad Endbach Mitte Juli ein Ingenieurbüro hinzugezogen, sagt Bürgermeister Julian Schweitzer (SPD). Für die künftige Nutzung der Heizenergie soll ein langfristiges Konzept entwickelt werden, um unabhängig vom Erdgas zu werden. Dabei rückt die Therme ins Blickfeld. Dort werden bei Bedarf ein derzeit noch mit Gas betriebenes Blockheizkraftwerk, ein Holhackschnitzelheizwerk und ein Gaskessel zugeschaltet. Die Reihenfolge soll – wenn technisch möglich – geändert werden. Das Holzheizwerk soll möglichst schon im kommenden Winter die erste Position übernehmen. Die Umrüstung des Blockheizkraftwerks auf einen anderen Brennstoff soll im Rahmen der Untersuchungen geprüft werden, sagt Schweitzer.
Ursprünglich war auch eine Sperrung der Duschen im Sportpark angedacht. Dies sei aber technisch nicht sinnvoll, so Schweitzer. Die Temperatur in der Heizanlage werde aber von vorher 80 auf nunmehr 60 Grad heruntergefahren. Duschen sei dann zwar noch weiter möglich, aber „nicht mehr heiß, sondern warm“, so der Bad Endbacher Rathauschef.
Gladenbach hat im August auf die drohende Gasknappheit reagiert. Die Temperaturen in den Schwimmbecken wurden um ein Grad reduziert. Die Betriebszeiten der Saunen im Freizeitbad „Nautilust“ werden nun nach Bedarf und Kundenwunsch gesteuert. Grundsätzlich sind aber während der gesamten Öffnungszeit die Dampfbäder sowie die Innensauna in Betrieb. Aus energetischen Gründen wurde auch die Parkplatzbeleuchtung rund um das „Nautilust“ ausgeschaltet. Laut dem Geschäftsführer der städtischen Tochtergesellschaft „Stadtmarketing, Energie, Bäder“ (SEB), seien die Einsparungen bereits spürbar. Die Absenkung der Luft- und Wassertemperatur um ein Grad erbringe eine Einsparung von rund 60 000 Kilowattstunden im Jahr, sagt Matthias Becker und verweist auf Berechnungen des beauftragten Ingenieurbüros.
Die Stadt Biedenkopf nimmt derzeit alle Liegenschaften unter die Lupe, ermittelt Wärme-Art und Energieverbrauch, berichtet Bauamtsleiter Thorsten Schmack. Es geht um 25 bis 30 Gebäude. Klar sei bereits, dass etwa im Rathaus die Raumtemperatur auf 19 Grad abgesenkt, Flure und Foyers nicht mehr beheizt, Wasserboiler und Durchlauferhitzer abgeschaltet werden. Auf die nächtliche Anstrahlung des Schlosses und der Wallauer Kirche verzichtet die Stadt bereits.
Weitere Maßnahmen in den Bürger- und Feuerwehrgerätehäusern und Sporthallen der Stadt sind laut Schmack in Vorbereitung. So werde der Bauhof die Heizkörper in allen Gebäuden entlüften und prüfen, ob Heizungseinstellungen optimiert werden können.
Schmack kündigt zudem an, dass die Stadt den leer stehenden Bürgerhaus-Parkhotel-Komplex komplett herunterfahren werde. Das Gebäude werde dann gar nicht mehr beheizt und es werde drinnen auch kein Licht geben.
Die Gemeinde Dautphetal hat sich die Situation in allen gemeindlichen Gebäuden angeschaut und diverse Verbesserungen in die Wege geleitet. Dazu gehörte vor allem, die Heizkurven der Heizungsanlagen zu prüfen und zu optimieren, beispielsweise im DGH Allendorf, im BGH Damshausen sowie im Familienzentrum in Dautphe, aber auch in vielen anderen Gebäuden.
Darüber hinaus hat sich die Gemeinde mit der Beleuchtung befasst. Drei Beispiele: Im BGH Buchenau wurde die Außenbeleuchtung neu programmiert, im Bauhof wurden Bewegungsmelder installiert und in der Kita in Hommertshausen wird geprüft, wie sich die Einbauleuchten auf LED-Technik umstellen lassen. Ebenfalls eine Rolle spielen die Bäder: Der Hallenbadverein Buchenau hat die Wassertemperatur um einige Grad gesenkt, ebenso der Schwimmbadverein in Friedensdorf. Die Hausmeister wurden laut Bürgermeister Marco Schmidtke (parteilos) angewiesen die Einstellung der Heizkörper zu überprüfen und sie gegebenenfalls auszustellen.
Von Hartmut Bünger, Susan Abbe, Regina Tauer und Mark Adel