Die Inhalation von Kochsalzlösung befeuchtet die Atemwege, sodass Viren schlechter übertragen werden können.
Feuchte Atemwege können ein Mittel sein, um die Ausbreitung von Coronaviren einzuschränken. Dazu muss Kochsalzlösung inhaliert werden, zeigt eine neue Studie. Für den Alltag ist das aber kein so praktikables Mittel, gibt einer der Autoren zu.
Kochsalzlösung hilft unseren Atemwegen. Nicht umsonst werden Lungenkranke häufig zur Erholung ans Meer geschickt. Die salzige Seeluft sorgt dafür, dass die Atemwege besser befeuchtet werden. Auch im Kampf gegen das Coronavirus kann salzige Luft helfen.
Wissenschaftler aus mehreren Ländern haben in einer gemeinsamen Studie herausgefunden, dass höhere Feuchtigkeit die Ausbreitung des Coronavirus einschränkt. Dazu muss eine Kochsalzlösung inhaliert werden. An der Studie waren 14 Forscherinnen und Forscher beteiligt - darunter der deutsche Aerosolexperte Gerhard Scheuch.
"Die Idee zu dieser Studie kam von David Edwards von der Harvard-Universität. Der hatte nämlich anhand von epidemiologischen Daten aus den USA festgestellt, dass die Infektionsgefahr bei Menschen, die an küstennahen Orten leben, deutlich geringer ist als bei Menschen im Landesinneren", blickt Scheuch im ntv-Podcast "Wieder was gelernt" auf den Ausgangspunkt dieser Studie zurück. "Ihm fiel dann eine Studie ein, die ich zusammen mit ihm im Jahr 2004 gemacht habe. Wir haben damals festgestellt, dass Patienten weniger Aerosolteilchen ausatmen, wenn sie vorher Kochsalzlösung inhaliert haben."
Als sich David Edwards an die geringere Infektionsgefahr von Küstenbewohnern und die Wirkung von Kochsalz erinnerte, stellte er sich eine Frage: Könnte die Kombination dieser beiden Tatsachen bedeuten, dass die Feuchtigkeit in den Atemwegen entscheidend dafür ist, wie viele Aerosole ein Mensch ausatmet und wie gut er nach einer Infektion das Coronavirus übertragen könnte?
Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, hat sich das Forscherteam zunächst angeschaut, wie viele Aerosolteilchen ein Mensch normalerweise ausatmet. Das Ergebnis: Ältere Menschen atmen mehr Aerosolpartikel aus als jüngere. Die Schlussfolgerung war, dass sie einen niedrigeren Feuchtigkeitshaushalt in den Atemwegen haben.
Diese Hypothese wurde mithilfe von Sportlern überprüft. Die Wissenschaftler haben sie so lange schwitzen lassen, bis deren Atemwege ausgetrocknet waren. Denn je mehr wir trainieren, desto mehr Flüssigkeit verlieren wir. Dabei haben die Forscherinnen und Forscher festgestellt, dass Menschen mit ausgetrockneten Atemwegen mehr Aerosolteilchen ausatmen als üblich und damit im Fall einer Infektion auch mehr Coronaviren. "Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass durch eine Befeuchtung der Atemwege, zum Beispiel durch eine Kochsalzinhalation, die Ausbreitung von Coronaviren wahrscheinlich verhindert oder zumindest minimiert werden kann", bilanziert Scheuch.
In einigen deutschen Krankenhäusern kommen Kochsalzlösungen bereits bei Corona-Patienten zum Einsatz. In erster Linie inhalieren sie, damit sie das Virus weniger leicht weitergeben können. Aber auch für sie selbst hat es einen Nutzen, erklärt der Aerosolwissenschaftler. Denn der warme Kochsalz-Dampf und die Kochsalz-Aerosole lösen beim Einatmen den Schleim aus der Lunge, sodass die Patienten weniger trockenen Husten haben.
Scheuch berichtet, wie er das selbst bei einer Mitarbeiterin seines Unternehmens "GS Bio-Inhalation" ausprobiert hat. "Sie war infiziert und hat dann Kochsalzlösung inhaliert. Vorher hat sie 100.000 Aerosolteilchen pro Atemzug ausgeatmet, nach der Kochsalzinhalation waren es noch 1.700. Das ist ein dramatischer Rückgang."
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Die Wirkung der Kochsalzinhalation hält allerdings nur drei bis sechs Stunden an. Man müsse mehrmals am Tag inhalieren, um die Atemwege dauerhaft feucht zu halten, sagt Scheuch im Podcast. Aber trotzdem könne dieses Wissen Corona-Patienten helfen. "Ursprünglich haben wir 2004 untersucht, wie wir in Kasernen, wo ja oft starke Übertragungen von Viren stattfinden, Prävention machen können. Und da kam David Edwards auf die Idee, dass wir ja Kochsalzlösung inhalieren können, um das Ausatmen der Viren zu verhindern", so Scheuch. Er betont aber, dass das sowohl im Alltag der Soldaten als auch im Alltag aller anderen eine "wenig praktikable Lösung" sei. Für Infizierte, die sich ohnehin in häuslicher Isolation befinden, sei es jedoch sinnvoll. "Wer sowieso krank ist, kann auch drei, vier Mal Kochsalzlösung am Tag inhalieren. Aber als Vorbeugung ist dieser Aufwand nicht praktikabel."
Eine minimalinvasive Alternative sei Kochsalz-Nasenspray. "Wenn man da kräftig einatmet, kommt ein Teil der Salzlösung auch noch in die Lunge." Eine weitere Möglichkeit seien Vernebler, die es inzwischen auch schon für 20 bis 25 Euro zu kaufen gebe. "Wenn man damit dann Kochsalzlösung inhaliert, genügt das", sagt Scheuch, der von einer "kostengünstigen und effektiven Sache" spricht. Kochsalzlösung könne man in der Apotheke kaufen oder "man kocht sich ein bisschen Wasser ab und macht etwas Salz rein".
Dass sich Viren in trockener Umgebung wohler fühlen als in feuchter, ist bekannt. Im Winter fangen wir uns häufiger eine Erkältung ein als im Sommer. Auch das liegt daran, dass wir uns im Winter eher drinnen aufhalten, in trockenen Räumen. So trocknen unsere Atemwege aus und sind anfälliger für Viren. Das zeigen auch die saisonalen Entwicklungen der Corona-Pandemie.
Gerhard Scheuch macht aus diesem Grund einmal mehr Werbung für eine gute Lufthygiene. Drinnen finden die meisten Infektionen statt, betont der Aerosolphysiker. Das gilt nicht nur für Corona, auch für andere Viren. Deshalb sollten wir die Bedeutung von Luftqualität endlich mehr in den Fokus rücken. "Eine italienische Studie hat kürzlich untersucht, dass in Schulklassen, in denen man pro Stunde einen sechsfachen Luftwechsel hat, entweder mit einem Luftfilter oder mit Lüftungsanlagen, die Ansteckungsgefahr um 82 Prozent gesenkt wurde", berichtet Scheuch im Podcast. Das seien Werte, die man auch mit Masken nicht erreichen könne.
Regelmäßiger Luftaustausch sei eine extrem wirkungsvolle Maßnahme im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Scheuch plädiert für den flächendeckenden Einbau solcher Luftfilter- oder Lüftungsanlagen. Man müsse die verbleibende Zeit bis zum nächsten Herbst nutzen, so der Experte. "Das wäre eine ganz wichtige Maßnahme, die auch nachhaltig ist."
Die Aerosolforschung sei in der Debatte um Corona-Maßnahmen immer noch unterrepräsentiert, kritisiert Scheuch. Dies liege aber auch "an den Aerosolforschern selbst, die eher introvertierte Menschen sind und nicht so sehr in die Öffentlichkeit gehen", sagt Scheuch. Dabei hätte eine gute Luftqualität in Innenräumen einen entscheidenden Vorteil: Auch dort könnten wir dann guten Gewissens auf Masken verzichten.
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(Dieser Artikel wurde am Montag, 04. April 2022 erstmals veröffentlicht.)