„Aufguss“: Funkensprühende Wellnesskomödie strapaziert Lachmuskeln des Premierenpublikums
Billerbeck. „Irgendwas stimmt hier nicht, wir sollten offen reden“, stellen Mary und Emily zu späterer Stunde fest. Da droht die Bademanteldiplomatie allerdings schon im Chaos zu versinken. Lachsalven am laufenden Band und jubelnder Applaus der „Schweißerinnen und Schweißer“, wie Saunameisterin Anne Schumacher die Gäste im Bühnenheim begrüßt, zeigen, mit der Wellness-Komödie „Aufguss“ hat die Freilichtbühne Billerbeck einen echten Coup gelandet.
Köstliche Dialoge, spitzfindige Wortspiele und haufenweise erotische Doppeldeutigkeiten lassen die Temperatur im Dampfbad ordentlich ansteigen. Was Regisseur Cornelius Demming mit einem großartigen Ensemble auf die Bühne gestellt hat, fordert Respekt. Wie die Akteure einen temporeichen Parforceritt durch ein Beziehungswirrwarr sondergleichen mit Bravour bewältigen, geht über Amateurtheater weit hinaus.
Alles dreht sich um Spenden, die zwei Paare in der einem orientalischen Hamam nachempfundenen Saunalandschaft (Applaus für die Bühnenbauer) eines Nobelhotels zusammenführen. Während der Geschäftsmann Dieter (Ralf Klatt) seiner Mary (Kerstin Averesch) das Geschenk einer Samenspende machen möchte, hofft Klinikleiter Lothar (Thomas Horneber) samt seiner Verwaltungsleiterin Emily (Charlotte Fleige) auf eine großzügige Spende von Dieter für ein neues Infusionszentrum seiner Kinderklinik. Zu den Paaren gesellt sich der potentielle Samenspender Alain (Andre Stegemann) – an der Fernuni Hagen nennen sie den Mathe-Dozenten „The Body“, als Fitnesstrainer hat er den Spitznamen „The Brain“. Sein erster Auftritt mit einem Handtuch um die nackte Brust geschlungen, wird vom johlenden Publikum mit spontanem Jubel gefeiert. Da alle nur über Spenden reden, ist den Missverständnissen natürlich Tür und Tor geöffnet. Klasse, wie Autor René Heinersdorff um diesen Wortwitz eine funkensprühende Komödie gestrickt hat. Die allerdings ein sehr präzises Spiel der nur in Bademänteln gekleideten Akteure fordert, die in wechselnden Konstellationen aufeinander treffen – da heißt es höchste Konzentration, um im Wirrwarr der Wortspiele den Überblick zu behalten.
Das gelingt allen bravourös. Kurze Verzögerungen, versteckte Blicke, kleine Ablenkungsmanöver – die Pointen zünden punktgenau. Kerstin Averesch spielt überzeugend die konsternierte Geliebte („Hast du mich eingeladen, um einen Zuchtbullen auf mich los zu lassen?“), lässt aber auch ihre Reize spielen. Ebenso wie Charlotte Fleige, die als Emily an ihrem Chef zu verzweifeln droht. Thomas Horneber verkörpert den nicht gerade besonders cleveren Klinikchef köstlich mit großer Gestik und piepsender Stimme. Ralf Klatt setzt als Dieter einen eher nüchtern agierenden Playboy dagegen. Und Andre Stegemann stellt sich herrlich als „The Body“ dar, windet sich aber auch unbehaglich in seiner pikanten Rolle in diesem Beziehungsdurcheinander, in dem der Saunadampf immer mehr Geheimnisse enthüllt.