Kaffeekapseln, Kosmetika, Arzneimittel: Aluminium ist allgegenwärtig. Ein regelmäßiger Kontakt lässt sich kaum vermeiden. Expert*innen befürchten versteckte Gefahren für die Gesundheit. Kann das Leichtmetall wirklich Krankheiten auslösen?
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Früher brühte man den Kaffee von Hand auf. Dann hielt die Filtermaschine in den Haushalten Einzug. Und nun beherrschen Kaffeeautomaten den Markt, die auf Knopfdruck alles von Espresso bis Latte macchiato liefern: Ein immer größerer Teil davon arbeitet mit aluminiumhaltigen Kaffee-Kapseln. Das ist zweifellos praktisch, könnte jedoch ein Gesundheitsrisiko darstellen.
"Bisher gibt es dazu zwar noch keine wissenschaftlichen Untersuchungen, es ist aber gut möglich, dass die Kapseln Belastungspotential haben", sagt Peter Jennrich von der Ärztegesellschaft für klinische Metalltoxikologie. Grund ist der feine Metall-Abrieb, zu dem es kommt, wenn die Kapseln bei der Zubereitung durchstoßen werden. Er landet im Kaffee und so in unserem Körper, wo sich Aluminium (Abkürzung AI) anreichern und zu Vergiftungserscheinungen führen könnte.
Übrigens: Nicht nur der Gesundheit, auch der Umwelt schaden die Kaffee-Kapseln aus Aluminium. Inzwischen sind einige Hersteller deshalb dazu übergegangen, kompostierbare Kapseln herzustellen.
Kaffeekapseln sind aber bei weitem nicht die einzige Belastungsquelle. "Aluminium ist ein Leichtmetall, das als natürliches Spurenelement im Trinkwasser und einer ganzen Reihe von Lebensmitteln, wie etwa Tee, Getreide, Obst und Gemüse vorkommt", sagt Detlef Wölfle vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).
Zum Einsatz kommt es aber auch als Zusatzstoff von Lebensmitteln, Kosmetika und Arzneien – etwa als
Aluminium ist allgegenwärtig. 800.000 Tonnen Alufolie werden jährlich in Europa verbraucht (nicht nur für Lebensmittel), und deutsche Kaffeetrinker*innen brühen pro Jahr mehr als eine Milliarde Alu-Pads auf. Egal ob wir es essen und trinken, auf unsere Haut auftragen, gegen Übelkeit schlucken, injiziert bekommen oder nur darin kochen, wir nehmen immer etwas von dem Leichtmetall auf.
So landen durchschnittlich zwischen 1,6 und 13 Milligramm pro Tag in unserem Körper – wobei die Belastungs-Toleranzgrenze laut European Food Safety Authority bei 8,6 Milligramm liegt. "Das meiste davon wird direkt ausgeschieden, der Rest verbleibt im Körper und kann über die Blut- und Lymphgefäße in die Lymphknoten und an die Knochen oder in die Milz und andere Organe gelangen und sich dort anlagern", sagt Jennrich.
Ab einer gewissen Konzentration wirkt Aluminium giftig, es schädigt Nervenzellen, Knochen und löst Blutarmut aus. Bislang geht man allerdings davon aus, dass sich bei Gesunden das Leichtmetall gar nicht in schädlichem Umfang anreichern kann, weil es über Niere und Galle wieder ausgeschieden wird. Betroffen von solchen Vergiftungserscheinung sind deshalb vor allem Nierenpatient*innen, bei denen es unter anderem zur sogenannten Dialyse-Enzephalopathie mit Demenz- Erscheinungen führen kann.
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"Durch die ständige Zufuhr und die Anreicherung des Leichtmetalls im Körper, kann es über die Jahre aber auch bei Durchschnittsbürger*innen zu einer gesundheitsgefährdenden Belastung kommen", behauptet Jennrich. Zu ihren Symptomen gehören
Darüber hinaus werde eine hohe AIuminium-Belastung auch als Co-Faktor vieler chronischer Erkrankungen wie Osteoporose, Multiple Sklerose , Epilepsie und Rheuma gehandelt. "Und natürlich als möglicher Auslöser von Alzheimer, da sich bei dieser Krankheit erhöhte Aluminiumansammlungen im Gehirn und im Blut finden", so der Metall-Toxikologe.
Über den Zusammenhang spekuliert die Forschung seit gut 30 Jahren, in den 1990er-Jahren aber wurde er von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wieder verworfen. Jüngste Forschungen deuten nun erneut darauf hin: So zeigte eine Langzeitstudie kürzlich, dass Personen, deren Trinkwasser viel Aluminium enthält, ein erhöhtes Alzheimer-Risiko haben.
Besondere Aufmerksamkeit erzielten römische Biochemiker*innen mit einer Untersuchung, die hohe Aluminiumkonzentrationen an einem Protein im Blut von Alzheimer-Patient*innen fanden, das eigentlich für Speicherung von Eisen zuständig ist. Die Forschenden sehen darin ein Indiz, dass Aluminium ein Alzheimer-Auslöser sein könnte. Möglich ist aber auch der umgekehrte Zusammenhang, dass die hohe AI-Konzentration nur eine Folge der Erkrankung ist.
Zur individuellen Gesamtbelastung tragen die verschiedenen Aluminiumquellen in unterschiedlichem Maße bei. Grund ist nicht allein der unterschiedlich hohe Gehalt des Leichtmetalls – die Spannbreite reicht von unter fünf Milligramm auf ein Kilo unverarbeiteter Lebensmittel bis zu 400 in einer einzelnen Magentablette. Es zählt auch die Form, in der das Aluminium vorliegt und der Weg, auf dem es in den Körper gelangt: So werden feste Partikel etwa in viel geringerer Menge resorbiert als Aluminium in Lösung. Saure Speisen begünstigen wiederum die Aufnahme, aber besonders hoch ist die Konzentration bei einer Impfung: "Hier wird der Stoff sofort und zu 100 Prozent aufgenommen, beim Verzehr von Lebensmitteln hingegen nur zu etwa 0,1 bis 0,2 Prozent", so Jennrich.
Da immer die Menge das Gift macht, spielen hohe Einmaldosen wie Impfungen für die AI-Gesamtbelastung letztlich meist eine geringere Rolle als die tagtägliche chronische Dosis, die man sich über Nahrung, Kosmetika und Medikamente zuführt. Nimmt man sie unter die Lupe, steht die Zufuhr über Lebensmittel auf der Belastungs-Skala in der Regel eindeutig an erster Stelle – es sei denn, jemand nimmt regelmäßig aluminiumhaltige Medikamente ein. Als problematischer gelten dabei vor allem Fertigprodukte, weil sie neben natürlich enthaltenen AI-Spuren noch künstliche AI-Zusätze enthalten.
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Besondere Vorsicht ist außerdem teils bei Nahrungsmitteln geboten, die aus einer Aluminium-Verpackung kommen oder mit alu-haltigem Kochgeschirr zubereitet werden. "Normaler Weise geht das Leichtmetall nur in geringem Maße auf sie über. Wenn Lebensmittel sauer oder salzig sind, sieht es aber anders aus. Dann wird wesentlich mehr Aluminium herausgelöst", erläutert BfR-Toxikologe Wölfle. Deshalb empfehle es sich etwa, zitronensäurehaltige Softdrinks lieber nicht aus der Alu-Dose zu trinken, Äpfel nicht in Alu-Töpfen einzukochen und Speisen wie Salzheringe, Rhabarber, Tomaten, Erdbeeren nicht mit Alufolie abzudecken.
Ob sich die Erkenntnisse auch auf Kaffeekapseln übertragen lassen, ist aber, wie Wölfle betont, bisher nicht bekannt. Auch Kaffee hat immerhin einen hohen Säuregehalt. Kapsel-Marktführer Nespresso verweist darauf, dass es keine Belege für eine Anreicherung von Aluminium aus der normalen Nahrungsaufnahme in einem gesunden Körper gebe. Überdies sei der Kaffee in den Kapseln durch eine transparente Folie vom Aluminium getrennt. Der Schutz wird beim Brühvorgang allerdings durchstoßen.
Trink- und Tafelwasser enthält Aluminium als natürliches Spurenelement und wird damit aufbereitet. Der Gehalt ist mit um die 0,2 bis 0,4 mg/l meist relativ gering. Reglementiert ist er aber nur im Trink- und nicht im Tafelwasser (Grenzwert: 0,2 mg/l).
Viele unbehandelte Lebensmittel enthalten Spuren von Aluminium. Die meisten liegen unter fünf mg/kg, bei einigen sind die Werte aber deutlich höher: Etwa bei Salatsorten, wie Feld- oder Kopfsalat (oft über 30 mg/kg), Hülsenfrüchten (meist um die 20mg/kg), Teeblättern (385 mg/kg) oder Kakao (100mg/kg).
Aluminium kommt als Farbstoff, Stabilisator, Backtriebmittel oder Trennmittel zum Einsatz. Zu finden ist es unter anderem in Fertigbackwaren, Süßigkeiten, Babynahrung, Käse und Tafelsalz. Die E-Nummern, die es verraten, sind E173 (Aluminium), E520 (Aluminiumsulfat), E521 (Aluminiumnatriumsulfat), E523 (Aluminiumammoniumsulfat), E554 (Natriumaluminiumsilikat), E555 (Kaliumaluminiumsilikat), E556 (Calciumaluminiumsilikat) und E598 (Calciumaluminat).
Hier ist Aluminium in rund 60 Verbindungen zu finden. Sie fungieren unter anderem als Schweißhemmer in Deos (Aluminiumchlorhydrat, Aluminiumchlorid, o.ä.), als Emulgatoren in Cremes (Aluminiumstearat) oder als Antibakterium in Zahnpasta (Alumiumfluorid).
Eingesetzt wird es etwa als Endzündungshemmer in medizinischen Mundspülungen (Aluminium-Kaliumsulfat), als Säurehemmer in Magentabletten (Aluminiumhydroxid) oder als Adjuvans in Impfungen (Aluminiumhydroxid).
Lebensmittelverpackungen und Kochgeschirr sind oft aluminiumhaltig. Normal nehmen wir nur wenig Aluminium aus ihnen auf. Wenn sie mit stark säure- oder salzhaltigen Lebensmitteln in Kontakt kommen, kann es aber zu hohen Übergängen kommen – etwa haben Tomaten vor Zubereitung im Aluminiumtopf zirka 2 mg/kg und danach über 60 mg/kg Aluminium.
"Sicherheit der Aluminiumaufnahme aus Lebensmitteln" - Wissenschaftliches Gutachten des Gremiums für Lebensmittelzusatzstoffe, Aromastoffe, Verarbeitungshilfsstoffe und Materialien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen (AFC) der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Abrufdatum: 7.10.2021)
Gespräch mit Peter Jennrich, Facharzt für Allgemeinmedizin und klinischer Toxikologe für Schwermetalle in Würzburg, Berater der Deutschen Ärztegesellschaft für klinische Metalltoxikologie und Direktor des International Board of Clinical Metal Toxicology (IBCMT), April 2013
Gespräch mit Detlef Wölfle, Toxikologe in der Abteilung für Sicherheit von verbrauchernahen Produkten des Bundeinstituts für Risikobewertung in Berlin, April 2013
Gesundheitliche Bewertung Nr. 033/2007 des BfR. Keine Alzheimer-Gefahr durch Aluminium aus Bedarfsgegenständen, Juli 2007
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